Geschichtliche
Entwicklung des SPD Ortsvereins Immenhausen
Das
ältestet noch erhaltene Protokollbuch des Ortsvereins beginnt mit
Eintragungen von der Generalversammlung am 27. Januar 1929. Frühere
Aufzeichnungen sind offensichtlich während des 3. Reiches verloren
gegangen oder vernichtet worden.
Es gibt jedoch einen späteren Eintrag, in dem vermerkt wird, man
habe auf dem "Großen Loh" 1953 das 50 jährige
Jubiläum gefeiert. Die alten Genossen aus der Gründungszeit
haben ihr Wissen an jüngere weitergegeben, die wiederum sahen in
dem durch Solidarität Erlebten und Erfahrenen nach Kriegsende ein
Vermächtnis, das sie in den demokratischen Neuanfang einbrachten.
Ein Zufall bestätigte dann die Gründungszahl 1903.
Bei den Vorarbeiten zur Rathaussanierung hat man in einem Bretterverschlag
unter dem Dach die dortigen Akten gesichtet und für die Übergabe
an das Staatsarchiv Marburg vorbereitet. Weit nach hinten gerutscht
und zwischen den Dachsparren verklemmt, fiel dabei ein Aktenordner auf
mit der Aufschrift: "Politische Vereine". Als man den Inhalt
auswertete war die Freude groß, denn man hielt das "Mitgliederverzeichnis
der Sozialdemokratischen Landes-Organisation Hessen-Nassau, Filiale
Immenhausen" in den Händen. Geschrieben hatte diese Aufstellung
Georg Waldeck I., der bsi 1919 den Vorsitz innehatte und ihn
1920 an Gustav Tiggemann übergab. Auch die Satzungen der
Arbeitervereine fanden sich, oft durch die Behörden mit hochinteressanten
Vermerken versehen, und konnten inzwischen in Heft 6 und 7 (Sozialdemokraten
in Immenhausen) der städtischen, heimatgeschichtlichen Schriftenreihe
veröffentlicht werden.
Einige Schlaglichter:
Um die Wieder- bzw. Neuwahl eines Bürgermeisters kam es 1893
in Immenhausen zu turbolenten Ereignissen. Bürger unsrere Stadt
wandten sich in einer Unterschriftenaktion an den Königlichen Landrat
in Hofgeismar , um gegen angebliche Unregelmäßigkeiten bei
der Wahl zu protestieren.
1895 berichtet der Königliche Polizeipräsident in Cassel
nach Berlin, dass für die Reichtagswahl im Wahlkreis Hofgeismar-Rinteln-Wolfhagen
wieder große Anstrengungen gemacht, Flugblätter in Menge
verbreitet und Agitationsredner in die Ortschaften geschickt worden
seien. Stützpunkte und Anlaufstellen dürften damals die beiden
"roten" Stadte Immenhausen und Helmarshausen gewesen sein.
Mit großer Wahrscheinlichkeit hat es in Immenhausen schon einen
örtlichen Vertrauensmann gegeben, wohl "Georg Waldeck I.".
Über die 1898 durchgeführte Reichstagswahl steht im
ehrwürdigen Immenhäuser Denkbuch von der Hand des damaligen
Bürgermeisters Schneider:
"Leider zeigte die Reichstagswahl insofern ein trauriges Resultat,
als von 314 Berechtigten [ausschließlich Männer] nur 166
von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und dass von diesen allein 98 Stimmen
für den Sozialdemokratischen Garbe abgegeben wurden". Dies
waren immerhin fast 60%.
Bürgermeister Schäfer berichtet dem Landrat in Hofgeismar
1911 von "damaligen sozialdemokratischen Tendenzen in der
deutschen Turnerschaft", die 1902 zur Gründung des
"Freien Turnvereins" führte, der jedoch nur bis 1904
bestand.
Weitere Aktivitäten der Arbeiterbewegung waren die Gründung
des "Arbeiter-Turn- und Sportvereins Jahn 1906", des "Arbeiter-Radfahr-Vereins
Flottweg", des Musikvereins "Glashütte 1908" und
eines Arbeiter-Sängervereins, der sich jedoch "Bildungsverein"
nannte.
Es ist somit nicht die Frage, ob für die Gründung das Jahr
1903 stimmt, sondern vielmehr, ob nicht vor der Jahrhundertwende in
Immenhausen bereits eine "Filiale", ein "Stützpunkt"
oder eine "Basisgruppe" der SPD bestanden hat.
Nach dem Fall des Bismarckschen Sozialistengesetz 1890 bleibt
die Diskriminierung von Sozialdemokraten im Kaiserreich bestehen. Mit
Mitteln des "Vereinsgesetzes" macht der Staat der SPD, den
Arbeitervereinen und den Gewerkschaften immer wieder Schwierigkeiten.
Die Gesamtpartei paßt zwar ihre Organisationsstruktur elastisch
den gesetzlichen Beschränkungen an, doch erst nach "Aufhebung
des Verbindungsverbotes" im Jahre 1900 ist es möglich,
1905 durch Statut das bisherige, vorherrschende "Vertrauensleutesystem"
auf Vereine mit festen Mitgliedsbeiträgen umzustellen. Trotz der
Legalisierung der Parteiarbeit im Reich bleibt es aber bei polizeilicher
Überwachung und Behinderung. Wegen der oft unterschiedlichen Polizei-
und Überwachungspraxis überläßt die Gesamtpartei
die Form der örtlichen Organisation oft den Mitgliedern. Die Immenhäuser
Genossen wählen für ihre politische Arbeit gewitzt durch jahrelange
negative Erfahrungen, die Form des Wahl- bzw. Ortsvereins. Von 2074
Ortsvereinen im Jahr 1907 wächst die Zahl im Deutschen Reich
schnell auf 4978 im Jahre 1913 an. Immenhausen war einer der
ersten von ihnen, und darauf sind wir stolz.
In der Weimarer Republik entwickelt sich die SPD zur stärksten
kommunalpolitischen Kraft, stellt seit Dezember 1929 mit Gustav
Tiggemann den Stadtverordnetetvorsteher und ab 1930 mit Gustav
Seitz den Bürgermeister.
Bei den Kommunalwahlen am 12. März 1933 erringen die Sozialdemokraten
6 von 11 Parlamentssitzen. Durch Nazi-Terror werden 4 gewählte
Genossen ausgeschaltet, so dass die konstituierende Sitzung am 28.
März 1933 ohne sie stattfinden muß. Im Juni 1933
scheiden die SPD Mandatsträger dann nach dem Verbot der Partei
endgültig aus. Für die Stadtverordnetenversammlung erfolgt
mit Wirkung vom 1. April 1934 die Umwandlung in eine "berufene
Ratsherrenversammlung".
Bei den ersten Gemeindewahlen am 27. Januar 1946 erringt die
SPD in Immenhausen 66,4% der abgegebenen Stimmen. am 19. Februar
konstituiert sich die erste Nachkriegs-Stadtverordnetenversammlung.
Wilhelm Erkelenz (SPD) wird Stadtverordnetenvorsteher, Gustav Tiggemann
(SPD) Bürgermeister.
Bis in die Gegenwart ist die SPD durch Votum
der Wähler in Immenhausen die bestimmende politische Kraft geblieben.
Aus Anlaß des Gemeindezusammenschlusses am 01.01.1970 bot
sich zudem noch die Möglichkeit, dass sich die SPD auch im neuen
Stadtteil Mariendorf profilieren konnte. In einer Versammlung am 12.12.1970
wurde der "Stützpunkt Mariendorf" gegründet. Die
neuen Mitglieder des Stützpunktes nominierten Karl-Heinz Bonnet
zum SPD-Spitzenkandidaten des Stadtteils Mariendorf für die Kommunalwahl
am 07.02.1971.
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